"Darf's ein bisschen mehr sein?"
Main-Echo Pressespiegel

"Darf's ein bisschen mehr sein?"

Starke Frauen: Lara Scheider aus Krombach ist "Nationalspielerin" des Fleischerhandwerks und räumt mit gängigen Klischees auf
Krombach  Die wei­ße Schür­ze voll­ge­spritzt mit Blut, das Ha­cke­beil in der ei­nen und ein saf­ti­ges Stück Schwei­ne­n­a­cken in der an­de­ren Hand - so stel­len wir uns ei­nen ty­pi­schen Metz­ger­meis­ter vor. Schlach­ten, aus­bei­nen und zer­tei­len: Klar, das ist Männ­er­sa­che. "Metz­ge­rin", das klingt sch­ließ­lich ir­gend­wie falsch. Die Frau­en, die ste­hen hin­ter der Fleischt­he­ke und fra­gen: "Darf's ein bis­schen mehr sein?"

Die 24-jährige Lara Schneider aus Krombach sieht das ganz anders. Sie ist Fleischermeisterin in der "Nationalmannschaft des Fleischerhandwerks" und findet: Ja, es darf ein bisschen mehr sein - mehr Wertschätzung und mehr Aufklärung über Frauen im Fleischerhandwerk und über den Beruf an sich.

Die Begeisterung für ihren Beruf habe Schneider schon in jungen Jahren entdeckt, ihr Vater sei selbst Metzger gewesen: "Ich bin im Fleischerhandwerk groß geworden", erzählt sie in einem Gespräch mit der Redaktion. Kein Wunder also, dass sie sich nach ihrem qualifizierenden Hauptschulabschluss für eine Lehre zur Fleischereifachverkäuferin entschied. Die dreijährige Ausbildung machte sie bei der Metzgerei Orschler in Aschaffenburg.

Daran hängte sie eine Lehre zur Fleischerin an, die sie auf zwei Jahre verkürzen konnte. Metzger, Fleischer oder doch Schlachter? Alle drei Begriffe bezeichnen das gleiche Berufsbild. Die Verwendung der Begriffe unterscheidet sich allerdings regional. Der Begriff Metzger werde vor allem in Bayern benutzt, erklärt Schneider.

Im Jahr 2019 machte sie schließlich ihren Meistertitel in Augsburg. Zu dieser Zeit wurde sie auch in das Team der Nationalmannschaft aufgenommen. Nun arbeitet sie als Fleischermeisterin bei der Metzgerei Lenz in Schlüchtern. Hört man die 24-Jährige von ihren Lehren reden, wird schnell klar: Die Missverständnisse über das Fleischerhandwerk fangen hier bereits an.

Mehr als nur Verkauf

Von wegen den ganzen Tag hinter der Theke stehen und freundlich gucken. Die Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin beinhalte viel mehr als nur den Verkauf der Waren, meint Schneider. Klar, man lerne auch Verkaufsargumente und das Kalkulieren der Ware. Darüber hinaus sei aber auch das Fachwissen über die einzelnen Fleisch- und Wurstwaren essenziell. Die Fleischteile und deren Verwendung, die Unterscheidung der einzelnen Wurstsorten und Zubereitung und Herstellung der fertigen Fleischerzeugnisse - es gibt viel zu lernen.

Was wenige wissen: Auch das Kochen spiele eine zentrale Rolle. Neben dem Wissen über die Weiterverarbeitung der Produkte stehe auch die praktische Zubereitung küchenfertiger Erzeugnisse, wie Rouladen oder Rollbraten auf dem Programm dieser Ausbildung, so die 24-Jährige. "Ich kann dem Kunden die Roulade ja nicht einfach in die Hand drücken, ich muss schon wissen, wie er sie zuhause richtig zubereiten kann." Auch Kreativität sei gefragt, wenn es an das Erstellen neuer Rezepte geht: "Jeden Tag nur Schnitzel hängt den Leuten auch irgendwann zu den Ohren raus."

Tradition und Modernität, diese Begriffe schließen sich laut Schneider gegenseitig nicht aus. Neben der Herstellung bodenständiger Hausmannskost, entstehen aus ihren Händen auch eindrucksvolle, filigrane Kunstwerke, die erst auf den zweiten Blick nach etwas Essbarem aussehen. Fingerfood, Kanapees und belegte Brötchen - auf Platten werden diese auch auf Wettkämpfen der Nationalmannschaft ausgestellt. Für Vegetrarier werden auch Alternativen, wie Grillkäse verkauft. "Das Fleischerhandwerk ist nicht stehen geblieben", betont Krombacherin.

Von wegen Männersache

Während der Ausbildung zur Metzgerin habe sie das Schlachten und Zerlegen der Tiere gelernt. Als Fleischerin könne sie bei der Herstellung der Produkte nun so richtig anpacken. "Das Machen mit den Händen und zu sehen, was ich geschafft habe - das macht den größten Spaß."

Das Schlachten ist bei der Metzger-Lehre übrigens nicht verpflichtend, sondern eine von fünf Wahloptionen. Der Krombacherin sei das Thema allerdings wichtig gewesen: "Ich esse Fleisch, deswegen schlachte ich auch." Hierbei liege ihr vor allem Wertschätzung für das Tier und dessen Gesundheit am Herzen.

Vorurteilen, wie der schweren körperlichen Arbeit beim Werkeln mit Fleisch, stehe sie kritisch gegenüber. Sie betont: "Wir Frauen schaffen das genauso gut wie die Männer!" Zudem seien Modernisierung und technischer Fortschritt auch am Fleischerhandwerk nicht vorbeigegangen. Schneidemaschinen ersetzen das Säbeln mit dem Messer, andere Geräte erleichtern das Tragen. "Auch dem Schwein wird nicht mehr mit dem Beil der Kopf abgehackt", erklärt die Fleischermeisterin. Betäubt durch Elektrozange oder Bolzenschussgerät sterbe das Tier allein am Blutverlust.

Nationalmannschaft

Die "Nationalmannschaft des Fleischerhandwerks" bilden 21 junge Teammitglieder aus ganz Deutschland. Wie der Name vermuten lässt, haben sie alle eine Ausbildung im Fleischhandwerk. Das Team besteht aber nicht nur aus Fleischern. Auch Verkaufsleiter, Ernährungsberater, Köche und Fleischsommeliers sind Teil der Mannschaft.

Geleitet wird die Truppe von drei Coaches und der Teamleiterin Nora Seitz, Vizepräsidentin des Deutschen Fleischer-Verbandes. Neben der Teilnahme an internationalen Berufswettbewerben gehe es der Nationalmannschaft vor allem um ihre Begeisterung am Beruf. Diese wollen sie auf Berufsmessen und Nachwuchsveranstaltungen in ihren Heimatregionen an Schüler und Auszubildende weitergeben.

Besonders im Kopf geblieben sei Schneider hierbei eine Begegnung mit einem jungen Mädchen. "Ja, das will ich auch machen", habe diese auf einer Infoveranstaltung eifrig zu ihrer Mutter gesagt. Diese habe die Begeisterung ihrer Tochter allerdings ausgebremst. Wegen genau solcher Erlebnisse, sagt Schneider, sei es so wichtig, die altbackenen Klischees über das Fleischerhandwerk aus dem Weg zu räumen.

Hintergrund: Die Nationalmannschaft des Fleischerhandwerks

Der Weg ins Team der Nationalmannschaft des Fleischerhandwerks ist gar nicht so einfach. Auf der Homepage der Mannschaft heißt es: Nur über eine Empfehlung des Landeslehrlingswartes gehe es zu einem Auswahlwettbewerb. Dieser dauere zwei Tage und finde einmal im Jahr statt. Kontakt zu den Landeslehrlingswarten, die für die Berufsausbildung in den Landesverbänden zuständig sind, bekomme man durch die Teilnahme an Landes- oder Kammerwettbewerben. Im Entscheid der Nationalmannschaft gelte es, mit handwerklichen Kompetenzen, aber auch mit Kommunikationsfähigkeit und Teamgeist zu punkten. Läuft alles glatt, werde man vom Präsidium des Deutschen Fleischer-?Verbandes in die Nationalmannschaft berufen.

Die Nationalmannschaft sei erst vor rund vier Jahren ins Leben gerufen worden, berichtet Lara Schneider aus Krombach. Davor seien die Besten in Landes- und Kammerentscheiden gegeneinander angetreten. Gekürt worden seien dann nur der oder die Beste. Nun gebe es ein Team der Besten, vielseitig aufgestellt und mit Stärken in unterschiedlichen Bereichen. Das sei besonders wichtig, um bei Wettbewerben gut abschneiden zu können, meint die Fleischermeisterin aus Krombach. lesa

26.08.2022
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