"Ruhiges Händchen und viel Geduld"
Main-Echo Pressespiegel

"Ruhiges Händchen und viel Geduld"

Handwerk: Johannes Imhof aus Schöllkrippen ist Deutschlands bester Uhrmachergeselle - Talent liegt in der Familie
SCHÖLLKRIPPEN  Wenn Jo­han­nes Im­hof ei­ne neue Uhr braucht, dann baut er sich eben selbst ei­ne. Der 21-Jäh­ri­ge kann das per­fekt. Denn er ist ak­tu­ell der bes­te Uhr­ma­cher­ge­sel­le Deut­sch­lands. Am 3. De­zem­ber wird dem Sc­höllkrip­pe­ner die Ur­kun­de in Ber­lin über­reicht.

Den Chronographen, den der junge Mann beim Pressebesuch im elterlichen Juwelierbetrieb in Schöllkrippen am Handgelenk trägt, hat er mit seinen geschickten Fingern selbst gefertigt, wie er erzählt. Das Ziffernblatt gewährt Einblick in das komplizierte, präzise aufeinander abgestimmte Innenleben des Uhrwerks. Genau das, was Johannes Imhof seit Kindheitstagen fasziniert. Die Begeisterung für Zeitmesser jeder Art liegt in der Familie, der ausgezeichnete Geselle ist nun in sechster Generation Uhrmacher. Derzeit führt sein Vater Klaus Imhof (58) gemeinsam mit seiner Mutter Peggy (49) den Familienbetrieb in der Aschaffenburger Straße.

In Fulda gelernt

Gelernt hat der Abiturient bewusst nicht im elterlichen Geschäft, sondern bei Juwelier Meister Müller im hessischen Fulda. »Man muss ja auch mal etwas Anderes sehen«, meint der hochaufgeschossene junge Mann. Dort in Fulda hatte er bereits als Schüler des Hösbacher Hanns-Seidel-Gymnasiums ein Berufspraktikum absolviert, währenddessen seine erste komplette Tischuhr gefertigt und den Ausbildungsplatz in der Tasche gehabt.

Von den 18 Auszubildenden, die zeitgleich mit ihm die Würzburger Berufsschule besucht haben, schlossen nur neun die Lehre ab, darunter drei junge Frauen. Johannes Imhof schnitt als Bester ab, wurde hessischer Landessieger und zum Bundesentscheid zugelassen. Unter den acht Teilnehmern aus ganz Deutschland, darunter drei Frauen, holte sich der Kahlgründer den Sieg. »Das ist schon was Besonderes, ich habe mich sehr gefreut«, beschreibt er bescheiden seinen Erfolg.

Wie er das geschafft hat? »Nötig sind Ausdauer, Präzision, technisches Verständnis, ein ruhiges Händchen und viel Geduld«, zählt der ausgezeichnete Geselle auf. Von allem hat er anscheinend ausreichend: es mache ihm unwahrscheinlich viel Spaß, am Werktisch zu sitzen, etwas Kompliziertes auszutüfteln, Altes wieder zum Leben zu erwecken, auch nachhaltig zu arbeiten, schwärmt Imhof, der sich gerade auf die Meisterprüfung vorbereitet und dabei die Begabtenförderung des Handwerks nutzen kann.

Uhrenrad aus Metall

Für den Sieg im deutschlandweiten Wettbewerb musste Johannes Imhof unter anderem ein Uhrenrad aus Metall fertigen, musste feilen, drehen, ein Gewinde bohren - alles in höchster Präzision. Vater Klaus Imhof, der stellvertretender Obermeister der unterfränkischen Uhrmacherinnung ist und im Prüfungsausschuss für Gesellen und Meister sitzt, ist stolz auf seinen erfolgreichen Sohn. Er soll, so hofft er, mal die Firma übernehmen. »Wir sind ein klassischer Uhrmacherbetrieb, der alles macht, vom Batteriewechsel bis hin zur Reparatur seltener und wertvoller Stücke, von der kleinsten Armbanduhr bis zur großen Standuhr«, zählt Imhof Senior auf. Mit Uhren sei es gerade wie mit Oldtimer-Autos, er habe viele Sammler als Kunden.

Wie er im Sommer nächsten Jahres mit dem Meisterbrief in der Tasche weitermachen wird, das überlegt sich Sohn Johannes gerade. Mehrere Optionen gibt es: eventuell eine zweite Lehre als Goldschmied? Oder ein beruflicher Abstecher in die französische Schweiz, wo renommierte Uhrenmanufakturen sitzen? Und dann zurück in die Heimat. Wo in der Werkstatt viele kniffelige Herausforderungen auf das junge Talent warten und sich Deutschlands bester Uhrmachergeselle auf die Anfertigung ganz besonderer Stücke spezialisieren kann. So wie den Chronographen an seinem Handgelenk.

CORNELIA MÜLLER
Hintergrund: Uhrmacher-Handwerk

Die Ausbildung zum Uhrmacher/zur Uhrmacherin dauert regulär drei Jahre, Verkürzungen sind möglich. Voraussetzung ist mindestens ein mittlerer Schulabschluss. Unter anderem mathematisch-physikalische Vorkenntnisse sind wichtig. Der Berufsschulunterricht für Azubis aus Bayern, Hessen und drei weiteren Bundesländern findet in Würzburg statt. Ausbilder sind Betriebe des Uhrmacherhandwerks, zum Beispiel Reparaturwerkstätten, oder Betriebe der Uhrenindustrie. Auch Berufsfachschulen bilden zum Uhrmacher aus. Die Zahl der Bewerber ist in diesem Handwerksberuf wesentlich höher als das Angebot an Ausbildungsplätzen. Die erste mechanische Armbanduhr wurde übrigens 1810 auf den Markt gebracht. Vorher waren vor allem Taschenuhren beliebt. (comü)

24.11.2021
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